Am 26.05.2020 und 16.06.2020 traten eine Reihe von Rechtsakten der Europäischen Union in Kraft, die negativen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie im Bahnsektor entgegenwirken soll. Konkret werden diverse Umsetzungsfristen des vierten Eisenbahnpaketes verlängert. Dazu zählen die Geltungsdauern von bestehenden Sicherheitsbescheinigungen und -genehmigungen sowie ECM-Zertifikaten. Aber auch der Geltungsbeginn vieler neuer Vorschriften wurde verschoben. Welche Rechtsakte im in Kraft getreten sind und was sie im einzelnen beinhalten, haben wir nachfolgend kurz zusammengestellt.

Verordnung (EU) 2020/698 vom 25.05.2020
Diese Verordnung verlängert die Fristen zur Verlängerung oder Erneuerung von Bescheinigungen, Lizenzen und Genehmigungen im gesamten Verkehrssektor.
Gemäß Artikel 9 gelten nach Richtlinie (EU) 2016/798 ausgestellte Sicherheitsbescheinigungen und -genehmigungen als um sechs Monate verlängert, wenn diese zwischen 31.03.2020 und 31.08.2020 abgelaufen wären. Einzelne Mitgliedsstaaten können eine Verlängerung um weitere sechs Monate beantragen. Artikel 10 beinhaltet die gleichen Regelungen für SiBe und SiGe nach der abgelösten Eisenbahnsicherheitsrichtlinie 2004/49/EG.

Richtlinie (EU) 2020/700 vom 25.05.2020
Ändert Artikel 54 Absatz 4, Artikel 58 Absatz 1 und Absatz 2a der RL (EU) 2016/797
Mitgliedsstaaten, die das vierte Eisenbahnpaket erst zum 16.06.2020 umzusetzen hatten, wird mit dieser Richtlinie einer Verlängerung der Umsetzungsfrist bis zum 31.10.2020 gewährt. Da in Deutschland die entsprechenden Gesetzesänderungen (u.a. mit dem "Gesetz zur Umsetzung der technischen Säule des vierten Eisenbahnpakets der Europäischen Union") bereits verabschiedet worden sind, hat diese Richtlinie zunächst keine Auswirkungen hierzulande. 

In der Fachmitteilung 17/2020 erläutert das EBA die Auswirkungen auf laufende Zulassungsverfahren.

Durchführungsverordnung (EU) 2020/777 vom 15.06.2020
Ändert Artikel 2, 15, 16 und 17 der Durchführungsverordnung (EU) 2018/763
Verordnungen der EU gelten unmittelbar in allen Mitgliedsstaaten und haben Vorrang vor nationalen Gesetzen und Verordnungen. Diese Verordnung ermöglicht u.a. die verlängerte Bearbeitung von Anträgen auf Erteilung oder Verlängerung von Sicherheitsbescheinigung nach RL 2004/49/EG durch das EBA bis zum 30.10.2020. Das EVU muss diese verlängerte Frist jedoch beantragen.
Das EBA hat dazu die Fachmitteilung 18/2020 veröffentlicht.

Durchführungsverordnung (EU) 2020/778 vom 15.06.2020
Ändert die Durchführungsverordnung 2019/773 (TSI OPE)
Abschnitt 4.2.2.5 und Anlage D1 des Anhangs der TSI OPE (reflektierende Schilder als Zugschlusssignal) gelten in Mitgliedsstaaten, die die Umsetzung des vierten Eisenbahnpaketes gemäß RL (EU) 2020/700 (s.o.) bis zum 31.10.2020 verlängern, erst ab diesem Datum. Da Deutschland nicht zu diesen Staaten gehört, gelten dieser Abschnitt und die Anlage hierzulande weiterhin ab dem 16.06.2020.

Durchführungsverordnung (EU) 2020/779 vom 15.06.2020
Ändert die Durchführungsverordnung (EU) 2019/250 bzgl. des Geltungsbeginns der neuen Mustern von EG-Erklärungen und -Bescheinigungen etc. in Fahrzeug-Zulassungsverfahren.

Durchführungsverordnung (EU) 2020/780 vom 15.06.2020
Ändert die ECM-Verordnungen (EU) 445/2011 (Artikel 7) und (EU) 2019/779 (Artikel 15 und 17)
In die alte ECM-VO wurde ein Verweis auf einen hinzugefügten Artikel der neuen ECM-VO aufgenommen. Die Änderungen in der neuen ECM-VO nehmen zertifizierungspflichtige EVU und EIU (die ausschließlich Fahrzeuge für den eigenen Betrieb instand halten) von der Umsetzungsfrist bis zum 16.06.2022 aus. Welche Frist für diese EVU und EIU nun gilt ist nicht geregelt.
Weiterhin gelten bestehende ECM-Zertifikate (ausgestellt nach neuer oder alter ECM-VO) sechs Monate länger, wenn sie zwischen dem 01.03.2020 und 31.08.2020 abgelaufen wären.
Des Weiteren gelten die Bestimmungen des Artikels 4 der neuen ECM-VO bzgl. sicherheitskritischer Bauteile erst ab dem 16.06.2021.

Durchführungsverordnung (EU) 2020/781 vom 15.06.2020
Ändert die Durchführungsverordnung (EU) 2018/545 über praktische Modalitäten des Inverkehrbringens von Schienenfahrzeugen bzgl. des Übergangs von entsprechenden Anträgen von den nationalen Behörden zum One-Stop-Shop (OSS) der ERA. Auch werden entsprechende Fristen vom 16.06.2020 auf den 31.10.2020 verlängert.

Delegierte Verordnung (EU) 2020/782 vom 15.06.2020 
Ändert die delegierten Verordnungen 2018/761 und 2018/762 zur Erteilung von einheitlichen Sicherheitsbescheinigungen und -genehmigungen.
In Mitgliedsstaaten, die die Umsetzung des vierten Eisenbahnpaketes gemäß Richtlinie (EU) 2020/700 (s.o.) verlängert haben, gilt demnach die VO (EU) 2018/762 ebenso erst ab dem 31.10.2020.

Durchführungsbeschluss (EU) 2020/783 vom 15.06.2020
Ändert den Beschluss 2012/757/EU
Die Frist von medizinischen Untersuchungen von Personal mit sicherheitsrelevanten Aufgaben - ausgenommen Triebfahrzeugführer - wird um sechs Monate verlängert, wenn diese zwischen dem 31.03.2020 und 31.08.2020 hätten stattfinden müssen.